überraschend: wir starteten früher als geplant – und zwar am 20. august mit einer hidden gallery in der wallpassage. in den zurzeit leerstehenden shops an der wallstraße in der altstadt präsentierte das festival für digitale kunst, musik und gegenwartskritik internationale videokunst .
auf sieben monitoren sah man die arbeiten von künstler*innen, die das thema „digital secrets“ - so das diesjährige motto der festivalausstellung - erforschen. es soll licht ins dunkel der digitalen geheimnisse geworfen werden: wie kann kunst mit den geheimnissen des privaten spielen? wie thematisiert sie die macht von globalen unternehmen, die auf privaten daten basiert? welche rolle spielen whistleblowing, überwachung, digitale pornografie, kryptografie oder dronenkrieg in der netz- und internetkunst?
nach einer gewissen zeit eigener kämpfe in world of warcraft beginnt die amerikanische künstlerin angela washko mit mitspielerinnen innerhalb der spielwelt über das frauenbild in dieser umgebung zu reden. zwischen 2012 und 2016 finden so mit the council on gender sensitivity and behavioral awareness in world of warcraft eine reihe von performances innerhalb des populärsten mmorpgs’ (engl. massively multiplayer online role-playing game; dt. massen-mehrspieler-online-rollenspiel) statt. washko führt diskussionen über feminismus und inklusion und dokumentiert diese konversationen in videos, live-performances oder verschriftlichungen. in playing a girl diskutiert sie mit männlichen spielern, warum diese als weibliche avatare auftreten, und gerät in ein gespräch mit einer weiblichen spielerin über den zusammenhang zwischen kleidung und vergewaltigung.
die idee der urheberschaft prägt die arbeit des norwegischen künstlers bjørn erik haugen - wissensproduktion, wissenschaftssoziologie und biopolitik sind seine zentrale themen. in the pen is mightier than the word steht der stift als eine metapher für den mit künstlicher intelligenz ausgestatteten computer und dessen kognitive datenverarbeitungs-fähigkeiten: dieser kann forschungsmaterial lesen und interpretieren. es steht also nicht mehr die person, der urhebende an zentraler stelle, sondern das wissen selbst, auf dem aufgebaut werden kann. the pen is mightier than the word ist ein mix aus dokumentation und power-point-präsentation. das video wurde im mai 2017 während der biennale von venedig im forschungspavillon gezeigt.
2019 | dauer: 11’06 min
die welt des protagonisten alex ist ein gerätesystem. die künstliche intelligenz quintrix, mit der alex kommuniziert, ist ein sogenanntes „must-gerät“, das in dieser welt unabdingbar ist; würde man darauf verzichten, müsste man auf das leben verzichten. quintrix zwingt alex bedürfnisse auf, dabei ist dieser zugleich konsument, verwender und virtuelles opfer seiner eigenen produkte. alex ist eine zahl im system, sein nutzen ist berechenbar, seine handlungen sind vorhersagbar. er hat seine selbstbestimmung aufgegeben und wird zu einem passiven akteur. ihm wird die unzureichende effiizienzbilanz seiner arbeit und somit die beschränktheit seines gesellschaftlichen nutzens vorgeführt. bewerber 377592 wirft, in form eines gesprächs zwischen künstlicher intelligenz und mensch innerhalb eines eindeutigen machtverhältnisses, fragen zum zukünftigen umgang mit technologie und digitalisierung auf.
2018 | dauer: 7’13 min
die arbeit der koreanerin hyeseon jeong zeigt sowohl einen realen als auch einen virtuellen wald in seoul, südkorea. das lokale digitale kartenmaterial weist in einigen bereichen merkwürdige topografien auf, so ist zum beispiel das haus des präsidenten nicht sichtbar. aus angst, dass geographische informationen über militärische anlagen und sensible staatliche einrichtungen zugänglich werden, wird anstelle dieser gebäude künstlicher wald gezeigt. die anfrage der künstlerin an google, akuratere daten zu erhalten, wurde abgelehnt. nicht nur die digitale landkarte verbirgt etwas, auch der zugang zum realen wald ist aufgrund militärischer trainings stark beschränkt. there is a dense forest thematisiert dies mit fiktiven protagonisten wie einem anwohner, einem food-blogger, einem taxi-fahrer und einem deutschen antiquitätensammler, die die wahrheit über diese fake-welt nicht kennen.
2016, dauer: 6’57 min
die arbeit „making others“ der us-amerikanischen künstlerinnen basiert auf den automatischen ergänzungen, die in googles suche vorgeschlagen werden, wenn man „how to make others…“ eingibt. sie veranschaulicht eindrücklich und seltsam oszillierend die algorithmisch generierten digitale geheimnisse, nach deren auflösung wir suchen, von denen wir aber nicht wissen, wie wir sie herausfinden oder danach fragen könnten. making others ist zugleich ein ironisches werbevideo und das ergebnis einer performativen kollaboration zwischen einem algorithmus, den künstlerinnen und einem promoter. die videoarbeit ist teil der fortlaufenden serie anxious to make die sich mit dem phänomen der sharing economy auseinandersetzt: welche subjektivitäten werden mit der sharing economy produziert? wie sieht künstlerische praxis in einer wirtschaft der „portfolio manager of the self“ aus?
überzogen mit einer grünen pixelierung wird sukzessive ein kleiner teich sichtbar. er liegt in den royal botanic gardens in victoria, australien. über der sich stetig reduzierenden pixelierung rückt die aufnahme eines mond-modells ins sichtfeld. vom linken in den rechten bildrand wandernd variiert seine größe. das visuelle ist akustisch unterlegt mit generativen synthesizer-sounds. dabei entsteht eine meditative, rätselhafte stimmung, die nach weiteren schichten, nach dem dahinter-liegenden fragen lässt. den schweizer künstler ralph klewitz interessiert vor allem die idee und herausforderung von identitätskonstruktionen. er ist sich des einflusses von intelligenz, emotionen und dem unterbewusstsein auf unsere wahrnehmungsprozesse bewusst und spielt mit diesen in seinen arbeiten.
2019 | DAUER: 3’53 MIN
wie formen daten soziale und politische events? die portugiesische künstlerin sandra araújo bewegt sich in der experimentellen exploration des gamings, in seiner visueller kultur und im raum populärer gif-animationen. sie untersucht den algorithmischen lifestyle und die rolle von daten in soziopolitischen events. ihre arbeit u$aar v3.0 referiert auf die verbindung von trump, putin, cambridge analytica und facebook. sie übernimmt dabei visuelle muster und die sounds eines old school videospiels. die arbeit visualisiert die rolle der plattform facebook bei der gestaltung sozialer und politischer ereignisse, wie etwa bei der abstimmung über den brexit oder der präsidentschaftswahl in den usa im jahr 2016. das setting ihres videos basiert auf dem interface von facebook – es tauchen reale personen wie mark zuckerberg, donald trump und wladimir putin auf, aber auch ironisierende figuren wie pepe der frosch und my little pony und irritierende dinge wie der ring aus j. r. r. tolkiens der herr der ringe.
ermöglicht durch die großzügige unterstützung der sigma gmbh sowie von margret von conta.
FESTIVAL FÜR DIGITALE KUNST, MUSIK
UND GEGENWARTSKRITIK
SCREENSHOTS DIGITALER KULTUR:
PHÄNOMENE UND POSITIONEN, DIE
SICH UNTER DEM EINFLUSS DER
DIGITALISIERUNG IN UNSERER KULTUR
ENTWICKELN.
SCHIRMHERR: OBERBÜRGERMEISTER DR. STEPHAN KELLER